Ein Tag zu Fuss

 

Montag, 27.03.2017

 

Ich nehme euch einen Tag mit zu Fuss durch Buenos Aires. 20 Km sind wir heute gegangen. Durch ganz Buenos Aires ist da zu viel versprochen. Im Vergleich ist Buenos Aires 202 km2 gross. Mit 2.890.151 Einwohner ist sie die grösste Stadt Argentiniens und somit auch die Hauptstadt.

 

Zugegeben ich bin kein Stadtmensch, das wird auch Buenos Aires nicht ändern. Die Hauptstadt Argentiniens ist schachtelartig aufgebaut, die Strassen verlaufen horizontal oder vertikal. Beim Gehen durch die Stadt merkt man schnell, wie vielseitig die Strassen belebt sind. Stehst du auf einer vergleichsweise ruhigen Strasse, kann sich dies nur zwei Strassen weiter ändern. Allgemein ist aber, ausser am Sonntag, reges Treiben auf der Strasse.

 

Gestartet haben wir unser Spaziergang bei unserem Hotel. Es ist in einem ruhigeren Stadtteil an der Av. Bartolomé Mitre. Ein kleines blaues Häuschen, das sich nun bei Tageslicht betrachtet sympathisch und gepflegt zeigt. Klein aber fein, trifft es am besten. Unsere Strasse führt auf direktem Weg zum Stadtzentrum Plaza de Mayo. Vorbei an einem kleinen Laden, in dem wir eine Tarjeta Sube kaufen wollen. Diese kann für die ganze U-Bahn, wie auch für einige Busse benutzt werden. Wenn wir nicht alles zu Fuss machen möchten, ist diese Karte eine gute Alternative. Das U-Bahn fahren ist hier nicht teuer und man kommt schnell von einem Ort zum anderen.

 

Mit meinem gebrochenem Spanisch, welches sich ausgeschlafen von der besseren Seite zeigt, versuche ich also eine Sube-Karte zu bestellen. Ein junger, netter Herr steht im Kiosk und macht Kaffee. Für eine ältere Dame. „Con azugar?“ fragt er sie. Ich fühle mich wie in den Ferien. Der Duft des Kaffees, der enge aber schnucklige Kiosk. „Hay una tarjeta sube?“ frage ich den Verkäufer. Er bejaht und händigt mir so gleich eine Karte aus. Hinter mir wird die Warteschlange grösser. Der Herr hinter dem Tresen bleibt gelassen. „Algo mas?“ ruft er mir zu, während dem er das zweite Kaffee zubereitet. Nein, nichts weiter, nur die Rechnung, sage ich. „30 Pesos por favor“. 30 Pesos? Ich hatte mich schlau gemacht, eine Karte kostet normalerweise 15 Pesos. Beim Händler gestern 25 Pesos. Ein wenig verärgert zahle ich die 30 Pesos und habe gelernt, dass man offizielle Karten besser an einem offiziellen Standort kaufen sollte. Die Händler in den Querstrassen schlagen gerne die Preise auf, damit sie noch ein wenig mehr für sich selber behalten können.

 

Ich gehe also weiter Richtung Plaza de Mayo. Vorbei an einem Busbahnhof, an dem ich auf die Toilette muss. Gegenüber hat es einen kleinen Park. Süss aber in mitten einer stark befahrenen Strasse. Ich überquere die Av. Florida. Hier reiht sich Geschäft an Geschäft. Mir scheint, als ob sich die Touristen hier sammeln. Es ist viel los. Schon hier hört man den Ruf der Geldwechsler „Cambio, cambio!“ Es ist ein grauer Markt der sich hier befindet. Er ist nicht gerne gesehen in Buenos Aires, wird aber von den Polizisten geduldet. Ich habe gelesen, dass man bei diesen Händlern zu einem guten Kurs Geld wechseln kann. Jedoch ist Vorsicht geboten. Man sollte nie alleine gehen und immer die Noten nach Falschgeld kontrollieren. Mir ist zu viel Trubel in dieser Strasse. Ich möchte an einem einsamen Strand sitzen. Hier komme ich, in Mitten der vielen Leute, leicht in Panik. Das bessert sich auch, angekommen am Plaza de Mayo, nicht. Hier hat es einige grössere Parks. Neutral betrachtet sind sie schön. Für einen Stadtmenschen eine willkommene Abwechslung. Der Lärm der Stadt, wird hier für einen kurzen Moment leiser. Die grossen Gebäude, um welche die Parks meist gesetzt wurden, sind eindrücklich. Mich zieht es weiter. Mein Heimweh wird grösser und ich habe das Gefühl ich muss an einen ruhigeren Platz. Ich sehne mich, nach Grün, dem Duft des Meeres und der Strandpromenade.

 

Plötzlich muss ich ziemlich dringend auf die Toilette. Ich kann nicht mehr warten und frage in einem kleinen Kaffee nach einer Toilette. Als Entschädigung trinkt  Thomas ein Kaffee. Wieder 50 Pesos weg. Als ich 2 Strassen weiter bin ärgere ich mich darüber, da hier die Strasse wieder sehr belebt ist und wir an einem Subway vorbei kommen. In dem ich ohne Probleme gratis auf die Toilette hätte gehen können. Aber auch das ist Buenos Aires. In der einen Strasse wie ausgestorben, zwei Ecken weiter belebt. Langsam finde ich gefallen an der Stadt. Die Abwechslung gefällt mir. In meinen Gedanken an Zuhause versunken, kommen wir an einem Fluss an.  Als Rio de la Plata, spanisch der Silberfluss, wird der gemeinsame 290 km lange und bis zu 220 km breite Mündungstrichter der großen südamerikanischen Ströme Paraná und Uruguay bezeichnet.

 

Das Wasser des Río de la Plata ist durch den hohen Eintrag von lehmigem Schlamm trüb, was mir die Vorfreude auf das Meer etwas nimmt. Hier lege ich mich in den Schatten. Es ist heiss geworden. Hier liegend, denke ich an Zuhause. Die Worte meiner Freundin kommen mir in den Sinn. Sie versicherte mir, dass das Heimweh weggehe, sobald ich angekommen sei. Meinte sie damit, das Ankommen mit dem Herzen? Ich habe mir den Start meiner grossen Weltreise irgendwie anders vorgestellt. Ich fühle mich verloren hier. Es muss doch auch in dieser grossen Stadt einen schönen, ruhigen Ort geben. Ein Ort, an dem ich ankommen kann. Ein Ort, der mir bestätigt, das Richtige getan zu haben. Ohne Plan in die grosse Welt. Habe ich das Richtige getan? Eine Unruhe steigt in mir auf. Ich kann nicht liegen bleiben. Ich muss weiter. Ich habe von einer Hafenstadt Namens Madero gehört. Sie ist nicht weit von hier. Einige Strassen weiter soll auch ein riesiges Reservat (Reserva Ecologica Costanera Sur) sein, dort möchte ich zuerst hin.

 

Am Reservat angekommen werde ich leider enttäuscht. Es ist montags jeweils geschlossen. Schade. Es wäre genau das Richtige für mich gewesen. Stattdessen zeigt sich mir das Reservat als riesigen Sumpf, hinter dem sich der Park erahnen lässt. Hier am Rande entlang zu schlendern entspannt mich. Es kommt einer Strandpromenade gleich und ich kann sogar das Meer riechen. In der Hafenstadt Madero finde ich dann auch einen wunderschönen Park. Es ist ruhig. Nur wenige Menschen sind hier. Mein Heimweh rückt in den Hintergrund. Ich möchte einen kurzen Moment auftanken. Die Bilder Revue passieren bevor wir uns entscheiden zurückzugehen.

 

Auf dem Heimweg sehe ich die Stadt in einem anderen Licht. Ich durfte einen kleinen Teil heute kennenlernen. Sie ist Abwechslungsreich, hat Südamerikanisches flair. Die Parks, in denen am Abend Musik gemacht wird, die Strassen an denen es immer wieder Neues zu entdecken gibt, die typisch argentinischen Herren, die gemächlich die Strassen überqueren, die kleinen Kaffees in denen das Treiben der Stadt beobachtet wird, all dies macht Buenos Aires zu einer besonderen Stadt. Es ist eine Stadt der Gegensätze, anziehend und abschreckend zu gleich. Wo du Armut siehst, siehst du Reichtum. Wo du Ruhe findest, findest du Lärm. Für einen Stadtmenschen aufregend, für einen Landmenschen erschreckend gross.

 

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