Potosi-zwischen Höhenflug und tiefem Fall

 

26.05.2017

 

Ich hole tief Luft, fülle meine Lunge mit Sauerstoff. Die Sonne wärmt meine Haut, die Pupillen verengen sich, es ist Tag. Ich wasche mir den Schmutz aus dem Gesicht, reibe meine vom Dunst verklebten Augen, trinke einen Schluck Wasser um den Rachen vom Staub zu befreien. Hier draussen scheinen die Arbeitsbedingungen, die Kinderarbeit, die Staublungen, die engen Tunnel, die ewige Dunkelheit in den Minen vergessen. Nur wer es selbst erlebt hat, kann nachempfinden, wie hart jeder einzelne Tag im Cerro Rico ist.

 

Wir sind in Potosi im südlichen Zentralbolivien. Die höchste Stadt der Welt liegt am Fusse des Cerro Rico (Reicher Berg) welcher mit seinen Silbervorkommnissen die Stadt einst reich gemacht hatte. Mit Wehmut sprechen die Einwohner von der ehemals glorreichen Zeit in dem Massen an Silber geborgen und verschifft wurde. Potosi war ein Synonym für Reichtum. Noch heute gibt es die Redensart vale un Potosi für: „Es ist ein Vermögen Wert.“ Doch das vergrösserte Angebot an Silver führte im 16. Jahrhundert zur Silber-Inflation und 1800 erschöpfte sich das Silber langsam.

 

Minen von Potosi

8 Millionen Menschen liessen ihr Leben in den Minen von Potosi. Allen voran die indogenen Zwangsarbeiter, die vielfach nicht aus dem Hochgebirge stammten. Sie wurden trotz der dünnen Luft zu Höchstleistungen angetrieben, gemischt mit den unhygienischen Bedingungen in den Löchern, der schlechten Ernährung und der giftigen Gase ein tödliches Verfangen. Die schwarzen Sklaven, rafften meist schon beim Aufstieg dahin. Noch heute schuften die Mineros in den Minen von Potosi unter haarsträubenden Bedingungen. Sie bauen Zinn, Kupfer, Zink und Blei ab. Rund 11000 Bergarbeiter, darunter Kinder nicht älter als 12 Jahren schuften hier 12 – 24h/Tag in den engen Stollen. Die Touristen dürfen dabei zuschauen und selbst in die Minen klettern. Als Dank dafür, werden Gastgeschenke erwartet. Auf dem Mercado Minero kann jeder legal Dynamit mit Zündschnur, 96% Alkohol und mehr kaufen. Die Mineros bevorzugen den Alkohol und die Cocablätter, nur mit dieser Form der Betäubung, ertragen sie die tägliche Arbeit ohne Pausen, ohne Sonnenlicht, im giftigen Dunst und Abbaumethoden, die sich seit den Anfangsjahren (1545), kaum geändert haben. Die Mineros des Cerro Ricos sind Katholiken, beten aber zu Christ und El Tio. El Tio ist der Gott der Unterwelt und somit Teufelsähnlich. Der Teufel thront am Eingang der Minen, sein Kopf gleicht einer Ziege, seine Regeln gelten in den Minen. Die Mineros offerieren der Statue  Zigaretten, Cocablätter und Alkohol und glauben, ohne diese Opfergaben wird Unheil über sie kommen.

 

Am Abend trotten die Minenarbeiter in Kolonnen aus den Stollen. Weisser Staub bedeckt das gesenkte Gesicht, nur die müden Augen blitzen hervor. Die Realität ist hart. Das heute verarmte Potosi und sein Cerro Rico sind reich an Geschichte, aber bettelarm. Erschreckend die Geschichten, die in der Dunkelheit des Cerro Ricos verborgen liegen.

 

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